„Terrorismus hat keine Religion“

Religionspädagoge Johannes Lähnemann, Vorstandsmitglied des EVS, über die Erfahrung der Gewalt und die Arbeit am Frieden 

 

Der Religionspädagoge Johannes Lähnemann zählt zu den renommiertesten Vertretern des interreligiösen Dialogs in Deutschland. (Foto: EMS/Waltz)

Der Religionspädagoge Johannes Lähnemann zählt zu den renommiertesten Vertretern des interreligiösen Dialogs in Deutschland. (Foto: EMS/Waltz)

„Erschüttert nehmen wir wahr, wie der Terrorismus sich der Religion bedient – in einem Maße, das uns schaudern lässt: Abgeschlagene Köpfe, Versklavung von Frauen, Vertreibung von Andersgläubigen und Andersdenkenden – im Irak und in Syrien in einer Region, die für ihr Zusammenleben in der Pluralität von Religionen und Kulturen seit Beginn unserer Zivilisation als beispielhaft gelten konnte – eine Barbarei, die wir uns nach den Gewalterfahrungen des 20. Jahrhunderts eigentlich nicht mehr vorstellen konnten!“, so die einleitenden Worte des emeritierten Professors für Religionspädagogik bei seinem Vortrag im Rahmen der EVS-Stiftungsratssitzung am vergangenen Montag. Dennoch hatte sein Vortrag einen hoffungsvollen Unterton und er war ein Plädoyer dafür, gemeinsam am Frieden weiterzuarbeiten. Konflikte und ihre Geschichte müssten differenziert betrachtet werden. Hier sei Bildungsarbeit gefragt, denn die religiösen Motivationen für Gewalt erwiesen sich immer wieder als besonders tiefgreifend. „Die Verletzungen, die hier zugefügt werden, graben sich tief in das kollektive Bewusstsein von Gemeinschaften ein“, erklärt der stellvertretende Geschäftsführer des Runden Tisches der Religionen in Deutschland. Die Deutungshoheit dürfe nicht den Fanatikern überlassen werden. „Ohne Begegnung und Dialog zwischen den Religionen wird es immer wieder zu Pauschalbildern, zu negativen Vorstellungen von den Anderen kommen, die politisch missbraucht werden können“, ist Lähnemann überzeugt.

Leider überwiegen in der öffentlichen Wahrnehmung die Berichte von Konflikten, Gewalt und Problemen. Dennoch gebe es zahlreiche positive Beispiele für interreligiöse Friedensarbeit. „Wussten Sie, dass bei der Überwindung der Apartheid in Südafrika Christen, Muslime und Hindus zusammengearbeitet haben; dass in Sierra Leone der Bürgerkrieg nur deshalb ein Ende finden konnte, weil der dortige interreligiöse Rat zwischen Regierung und Rebellen vermittelt hat; dass Mozambique nur durch die jahrelange geduldige Friedensarbeit der katholischen Bewegung St. Egidio zur Demokratie geführt werden konnte; dass die buddhistische Sarvodaya-Bewegung in Sri Lanka mit einer interreligiös offenen Bildungs- und Entwicklungsarbeit in über 15.000 Dörfern präsent ist?“, fragt Johannes Lähnemann die Zuhörerinnen und Zuhörer. Dieser beispielhaften Aufzählung fügt er weitere an, zum Beispiel einige Stellungnahmen muslimischer Gemeinschaften gegenüber des IS. Natürlich könne man nach der Wirkung dieser Erklärungen fragen. „Wir erleben hier eine bedrückende Situation, in der es keine einfachen und keine schnellen Lösungen gibt“, räumt das langjährige Vereinsmitglied des Evangelischen Vereins für die Schneller-Schulen (EVS) ein. Dennoch hätten solche Stellungnahmen eine wichtige Funktion: „Sie stärken das Miteinander und Füreinander in unserer Gesellschaft gegenüber der Infiltration durch menschenverachtende Ideologien.“ Johannes Lähnemann schließt seinen Vortrag mit sechs Imperativen, die auffordern, sich selbst einzubringen, um unsere lebendige, plurale Demokratie zu stützen, unseren Glauben menschlich zu leben und eine umfassende Bildung von klein auf zu ermöglichen.

„Der Vortrag war ein wichtiges Statement gegen Hoffnungslosigkeit, die sich im Angesicht der schwierigen Rahmenbedingungen für interreligiösen Dialog breit zu machen droht“, so Uwe Gräbe, EVS-Geschäftsführer und Nahost-Verbindungsreferent der EMS. Johannes Lähnemann sei als langjähriges Vorstandsmitglied ein wichtiger Impulsgeber für die Arbeit. „Das Konzept einer Ausbildung im Land für das Land, haben meine Frau und mich von Anfang an überzeugt“, erklärt Johannes Lähnemann, der bereits seit den 70er Jahren mit der Arbeit der Schneller-Schulen vertraut ist.

von Corinna Waltz