Wer sind die Christen im Nahen Osten?

Viele Menschen im Westen wissen nicht, dass es im Nahen Osten Christen gibt. Viele haben vergessen, dass das Christentum eine östliche Religion ist. Der Nahe Osten war einmal christlich, wie auch grosse Teile Nordafrikas.
Heute wird die traditionelle Kirche täglich kleiner. Es bekehren sich in dieser Region noch immer mehr Christen zum Islam als umgekehrt.

Die Situation der Christen

a) Die wirtschaftliche Lage ist in allen Ländern des Nahen Ostens viel schwieriger als  in der Schweiz. Auf dem Arbeitsmarkt werden Moslems gegenüber Christen bevorzugt.

b) Alle Menschen, besonders aber Christen im Libanon machen sich immer Gedanken über einen möglichen Krieg oder leben von den Schrecken eines vergangenen Krieges.

c) Wachsender islamischer Fundamentalismus ermutigt die Christen zum Verlassen ihrer Länder.

d) Es gibt etwa zwanzig verschiedene traditionelle Kirchen, denen die meisten Christen angehören.

e) Islamische Herrscher haben die Christen immer als eine Gruppe behandelt, egal welcher kirchlichen Tradition diese angehörten.

f) Der Staat profitierte immer von den Gaben und Abgaben der Christen.
In verschiedenen Ländern spielten Christen eine wichtige Rolle auch in Regierungen.
Verschiedene islamische Herrscher haben auch heute noch bewusst christliche Ratgeber

Die orthodoxe Kirche
Die orthodoxe Kirche sieht sich als „die Kirche Gottes“, die direkt auf die Apostel zurückgeht. Sie teilt diese Ansicht mit der Katholischen Kirche, die sich ebenfalls als die allein selig machende Kirche sieht. Die Orthodoxe Kirche sieht die Katholische Kirche als Spaltung von und nicht in der Kirche. Die Katholische Kirche teilte sich im Jahr 1054 von der Orthodoxen. Diese vertritt die Ansicht, dass man den heiligen Geist nicht mehr hat, wenn man sich von der Kirche trennt. Die katholische Kirche sieht die aus der Reformation folgenden Abspaltungen als Ergebnis des Verlustes des heiligen Geistes. Inzwischen gibt es auch nicht mehr nur eine orthodoxe Kirche.

Aus der Sicht der Orthodoxen sind katholische und protestantische Kirchen westliche Kirchen und haben deshalb einen anderen Hintergrund.
Am Anfang hatte die orthodoxe Kirche ihren Hauptsitz in Konstantinopel. Als der Islam stärker wurde, verschob sich das Zentrum mehr nach Norden unter die slawischen Völker. Nachdem Konstantinopel im Jahr 1453 an die Moslems fiel, wurde Moskau das Zentrum.

Viel der orthodoxen Theologie zeigt sich in der Liturgie
Die Stärke der orthodoxen Kirche zeigt sich visuell, und im Erlebnisbereich. Orthodoxe Gottesdienste sind farbenprächtig, duftend und beziehen den Gottesdienstbesucher ein.
Die orthodoxe Kirche war eine starke Kirche, auch in Verfolgungszeiten, besonders in Zeiten, in denen Predigten verboten wurden. Vielleicht haben deshalb orthodoxe Kirchen auch heute noch oft nur sehr kurze Predigten zwischen fünf und zehn Minuten.
Eine Schwäche der orthodoxen Kirche ist sicher, dass viele Menschen die symbolische Bedeutung des Gottesdienstes gar nicht verstehen.

Viele Protestanten haben Mühe mit den Ikonen. Offiziell werden in der orthodoxen Kirche keine Ikonen angebetet. Jemand hat sie einmal als Fenster zum Himmel bezeichnet. Auch für Protestanten gibt es Bilder zu biblischen Themen. Wahrscheinlich ist es realistisch, zu sagen, dass nicht alle Ikonen nur als Bilder betrachtet werden. Traditionell wurden sie als Mittel mit Kraft benutzt. Sie wurden in Schlachten zum Schutz mitgeführt, beim Gebet um Heilung benutzt und in Häusern mit dem Wunsch nach Sicherheit aufgehängt.
Es gibt praktische und theologische Unterschiede zwischen der orthodoxen und der protestantischen Kirche.

Die traditionellen Kirchen entwickelten im Laufe der Jahrhunderte eine eigentliche Überlebensstrategie, die zum Zentrum der Theologie und Praxis wurde. Mit dieser Strategie hat die traditionelle Kirche in einer islamischen Umgebung überlebt. Die protestantische Kirche ist im Vergleich zur orthodoxen Kirche mehr missionsorientiert. Die traditionellen Kirchen werfen den protestantischen Kirchen vor, das „friedliche“ Gleichgewicht zwischen Islam und Christen zu gefährden. Dabei drängt sich der Gedanke auf, dass das friedliche Zusammenleben häufig auf die Kosten der Christen geht.
Ein liebevolles Verständnis für Christen und Moslems in dieser Region ist wichtig. Die Überlebensstrategie der traditionellen Christen und der ersten Protestanten hat auch die modernen evangelischen Kirchen ergriffen. Überlebenstrategie bedeutet das Ende einer Kirche, da sie kein Wachstum beinhaltet.

Was müsste sich ändern, damit die christliche Gemeinde im Libanon wachsen könnte?
Politischer Friede und Religionsfreiheit Da der Islam militärisch und politisch an der Macht ist, ist es schwierig grosse Veränderungen zu erwarten.
Die politische Zukunft im Libanon ist unsicher und damit auch die Situation der Kirche. Es besteht nicht die Notwendigkeit für die Christen politisch an der Macht zu sein, sondern es besteht die Notwendigkeit, Millionen von arabischen Moslems von ihren totalitären Regierungen zu befreien. Ein demokratisches System würde den Christen beim Überleben helfen und den Moslem eine freie Wahl der Religion ermöglichen.

Welche Auswirkungen hatte der Bürgerkrieg auf die Christen im Libanon?
Viele Christen wanderten während des Krieges aus und kehrten nicht mehr zurück. Die Kirchen wurden von Gebern zu Empfängern. Dauernde Bombardierungen und allgemeine Unsicherheit trennten die Kirchen und Libanon vom Rest der Welt. Statistisch wurden die Christen von der Mehrheit zur Minderheit und Kirchen wurden geschlossen oder zerstört. Bis heute wurden zwar viele Kirchen wieder aufgebaut, die Christen, die die Gemeinde bilden sollten, sind aber nicht vorhanden.

Die Kirche heute im Libanon
Die Kirche sollte sich vom Überleben neu auf Wachstum ausrichten. Wenn es im Libanon keine oder immer weniger Christen gibt, ist dies ein entmutigendes Zeichen für andere Christen im Nahen Osten. Libanon muss nach der Verfassung einen christlichen Präsidenten haben. Wie lange sich die mehrheitlich islamische Bevölkerung damit abfindet ist unsicher. Der Nahe Osten braucht keinen nationalistischen christlichen Staat gegen den Islam. Das Bedürfnis besteht vielmehr nach einem Staat, der die Menschenrechte für Christen und Moslems beschützt.