Geschichte

Aus der Geschichte des Schweizer Vereins für die Schneller-Schulen im Nahen Osten

von Werner Ninck 

Die Vorgeschichte des Schweizer Hilfskomitees für das Syrische Waisenhaus geht auf das Jahr 1892 zurück, als mein Grossvater, Pfr. Johannes Ninck an das Evangelische Vereinshaus nach Winterthur berufen wurde.

Werner Ninck

Werner Ninck

Sein Vater, Karl Ninck war befreundet mit Johann Ludwig Schneller. Ganz besonders setzte er sich für dieses Werk ein nach seiner Palästinareise, die er 1884 mit 14 Teilnehmern unternahm, darunter auch mein Grossvater. Die Reise führte ins Syrische Waisenhaus in Jerusalem und dann in Begleitung von Joh, Ludw. Schneller durchs Heilige Land bis nach Damaskus. Gleich nach seiner Rückkehr begann er mit der Niederschrift seiner Eindrücke, die er innert weniger Monate zu dem reich illustrierten Band „Auf biblischen Pfaden“ zusammenfasste. Der Ertrag dieses Buches – bis 1932 wurden 44’000 Exemplare verkauft – floss grösstenteils dem Syrischen Waisenhaus zu, sodass daraus ein Wohnhaus finanziert werden konnte“.

Nach dem Tode des Urgrossvaters 1887 übernahm mein Grossvater die Unterstützung des Werkes. Schon bald waren mittels unzähliger Flugblätter Fr.12’000.- gesammelt. Auf diese Weise bildete sich allmählich ein stets zunehmender Geberkreis.

„Durch den 1.Weltkrieg kam die Anstalt in die Hände der Engländer, bis sie 1922 Theodor Schneller, der eine Sohn des Gründers, mit grösseren Anfangsschwierigkeiten, wieder weiterführen konnte. Es fehlte sehr bald nicht an Anmeldungen von nah und fern, wohl aber an den nötigen Mitteln. Umso willkommener waren die Gaben aus der Schweiz“.

In jenen Jahren wurde Kurt Ninck als Quästor beigezogen. „In den 30er-Jahren, als die Wirtschaft darniederlag, wurde die finanzielle Lage des Schnellerischen Werkes erneut sehr angespannt. Da bekam unser Komitee die Aufgabe, zinsfreie Darlehen auf die Liegenschaft in Jerusalem aufzunehmen. Es gelang bis zum Jahr 1938 im Freundeskreis 114 Schuldscheine zur Zeichnung zu bringen mit einem Betrag von ca. Fr. 45’000.-, der die Weiterführung des Werkes ermöglichte.

Kurz nachdem er Pfr. Georg Vischer als Vorstandsmitglied gewinnen konnte, starb mein Grossvater im November 1939. Ludwig Schneller stellte ihm das Zeugnis aus, er habe dem Syrischen Waisenhaus mehr als die meisten Kuratoriumsmitglieder wertvolle und rettende Dienste geleistet in Krieg und Frieden.

Unter dem Vorsitz von Pfr Georg Vischer erweiterte sich bald der Vorstand. Es kamen hinzu Herr Seminardirektor G. Fankhauser, der schon länger mit Ludwig Schneller verbunden war, und Kurts Bruder Werner, dazu einige weitere Männer. Statuten wurden aufgestellt und der Verein juristisch eingetragen mit Sitz in Zürich.

In den Jahren während und nach dem 2. Weltkrieg gewann unser Komitee an Bedeutung, indem der Deutsche Vorstand in seiner Handlungsfreiheit nach dem Ausland gehemmt war. Die ganzen Geldüberweisungen konnten nur noch von der Schweiz aus besorgt werden, wofür die Aufträge der Zensur wegen öfters in getarnter Form bei Kurt Ninck eingingen.

„Neben der Vermittlung von vielen Lebensmittelpaketen an Mitarbeiter stand das Schweizer Hilfskomitee in Verbindung mit den amerikanischen Lutheranern, die während des Krieges die Treuhänderschaft über die Schnellerschen Anstalten übernommen hatten. Es kam zu persönlichen Verhandlungen zwischen ihren Vertretern und Pfr. G. Vischer in Genf. Diese Zeit der stagnierenden Arbeit im Heiligen Lande benutzten wir, um die oben erwähnten zinsfreien Darlehen wieder abzulösen. Eine ganze Anzahl der Geber verzichteten dabei auf Rückzahlung“.

Das Verhältnis zum deutschen „Evangelischen Verein für die Schnellerschulen EVS“ war immer von grosser Bedeutung, oft recht spannungsvoll. Die Leitung der Schnellerschulen war während vieler Jahrzehnte in deutscher Hand. In der Schweiz bestand ein „Hilfskomitee“, das sich um Finanzen kümmerte, aber sonst in der Schulleitung nicht viel zu sagen hatte. Das änderte sich vor einigen Jahren, indem Schweizer Mitarbeiter vermehrt mit Rat und Tat in den Schnellerschulen Einfluss nahmen.

Herr Generalkonsul K. Lutz war während der Zeit seines Konsulates in Tel Aviv ein treuer, aktiver Freund des Syrischen Waisenhauses geworden und bildete dort mit den Amerikanern zusammen interimistisch ein Komitee zu seiner Betreuung. Nach seiner Rückkehr in die Schweiz nach dem Krieg konnte er für den Vorstand des Schweizerischen Komitees gewonnen werden. So hat er in unserm Schweizer Kreis manchen Rat gegeben und Verbindungen wertvolle angeknüpft. Ihm war es zu verdanken, dass die israelische Regierung, die das Syrische Waisenhaus enteignet hatte, eine grosszügige Entschädigung bezahlte.

An die Stelle des verstorbenen Seminardirektors Fankhauser trat sein Sohn Gottfried, der seit 1970 den Vorstand präsidiert. Pfr. Vischer zog noch zu Lebzeiten seinen Sohn Karl nach, der in den Jahren 1957/58 als Pfarrer und Lehrer in der Schnellerschule in Khirbet gewirkt hatte. Später folgte ihm sein jüngerer Bruder Pfr. Georg in den Vorstand, der während einigen Jahren das Komitee präsidierte. Schon früher erweiterte unsern Kreis Frl. V. Kappeler, die durch einen längern Aufenthalt im Libanon dem Syrischen Waisenhaus näher gekommen war, ferner Hermann Straub, der einige Zeit Lehrer in Khirbet war.

1975 wurde ich selber, Werner Ninck, in das Komitee aufgenommen. Werner sen. und Kurt Ninck waren zurückgetreten. Ich lernte diese Arbeit kennen durch die interessanten Berichte einerseits des Präsidenten, andererseits durch Gabriel Zabaneh, der während einigen Jahren für Vortragsreisen in die Schweiz kam. Herr Zabaneh war Lehrer, Seelsorger und Leiter der Johann Ludwig Schneller Schule in Khirbet Kanafar gewesen. Durch seine Tätigkeit konnten viele Freunde und Kirchgemeinden gewonnen werden, die sich für die Schulen zu interessieren begannen und bereit waren, Geld zu spenden. Von ihm lernte ich, dass die Schnellerschulen immer Friedensinseln im Nahen Osten gewesen waren.

Ins Komitee konnten neue Leute gewonnen werden: Walter Rutishauser aus Zuben TG, Frau Frutiger aus Basel, Geri Hofstetter aus dem Kt. Zürich, Martin Ninck aus Goldswil bei Interlaken, Pfr. Paul Knuchel aus Liebefeld bei Bern, Pfr. Luzius Jordi aus Zollikofen BE, Kascha Widmer, Zürich, Pfr. Jost Keller aus Chur, Frieda Schmutz, Münsingen. Sie alle wirkten als Präsidenten, Sekretäre, Kassiere und freiwillige Mitarbeiter mit und sorgten durch viel freiwillige Arbeit dafür, dass die Schulen im Nahen Osten finanziell und ideell unterstützt werden konnten.

Im Jahr 1988 nahm ich an einer Multiplikatoren-Reise in den Nahen Osten teil. Wir besuchten die Theodor Schnellerschule in Amman und trafen die Leitung der Johann Ludwig Schnellerschule Libanon in Damaskus. Zudem besuchten wir die evangelisch lutherischen Schulen in Bethlehem, Jerusalem, Beth Shala, Beth Sahur und in Ramallah.

Im März 2001 organisierte der Vorstand des deutschen Vereins für die Schnellerschulen eine Besuchsreise nach Amman und Khirbet Kanafar. Vier Mitglieder des Schweizer Vereins-Vorstandes schlossen sich der Reisegesellschaft an.

Seither wurden vermehrt Reisen unternommen, um die Beziehungen herzustellen und zu pflegen. Unser jetziger Präsident, Christoph Schmitter, machte sich selber vor Ort kundig über die Probleme und Bedürfnisse der Schulen. Luzius Jordi, der 6 Jahre lang in Beirut als Pfarrer gewirkt hatte, organisiert jährlich Reisen für Interessierte.

Im Jahr 2000 wurde der Verein neu organisiert. Heute zählt er 75 Mitglieder. An 1300 interessierte Einzelpersonen, Pfarrämter und Kirchgemeinden wird vierteljährlich das Schneller-Magazin verschickt, mit einem Brief des Vereinsvorstandes.

So haben sich wohl die Verhältnisse in den letzten 150 Jahren geändert, aber der Auftrag ist der gleiche geblieben: die Schnellerschulen zu fördern – finanziell, aber auch mit Anregungen und gutem Rat.

Der „Schneller-Auftrag“ steht für Engagement aus dem Geist Jesu Christi für Kinder aus schwierigen sozialen Verhältnissen und den verschiedenen religiösen Hintergründen ihres Umfeldes. Sie sollen schulisch, handwerklich und sozial eine hervorragende Ausbildung erhalten. Deshalb lautet der Zweckartikel unseres Vereins: „Der Verein verfolgt gemeinnützige Zwecke ohne eigenwirtschaftliche Absicht. Er fördert die pädagogische und erzieherische Arbeit der sog. Schneller Schulen in Khirbet Kanafar (Libanon) und in Amman (Jordanien). Er informiert über die Tätigkeit der beiden Schulen, weckt Interesse für sie und sammelt Unterstützungsgelder. Der Verein setzt sich ein für die sozialen Zielsetzungen der Schulen wie z.B. die Beibehaltung der Aufnahmepriorität für Schülerinnen und Schüler aus bedürftigen Familien, die Förderung der Gleichberechtigung von Schülerinnen / Schülern und die Erziehung zu religiöser und politischer Toleranz.“

Bern, 28. Februar 2011